Die Basler Architektin Barbara Buser rettet Gebäude vor dem Abriss und haucht ihnen neues Leben ein. Sie selbst lebt im Haus ihrer Urgrosseltern, das sie sanft renoviert hat.
Im Video nimmt Sie Barbara Buser mit auf einen Rundgang durch ihr Basler Quartier.
Spaziert Barbara Buser durchs Gundeldinger Feld, wird sie von allen Seiten gegrüsst. Hier und da bleibt sie stehen für einen kurzen Schwatz. Die Architektin kennt jeden Quadratmeter, denn sie hat das Grundstück in jahrzehntelanger Arbeit entwickelt. Im Gundeldinger Feld birgt jede Ecke eine Geschichte. Pflanzkisten, in denen früher Werkzeuge lagerten, die bemalte Mauer oder der rostige Kran. Die vielen von den Menschen im Quartier gespendeten Sträucher, Kräuter und Bäume machen das gesamte Areal zu einer grünen Oase. Auch ihr Baubüro «in situ» hat hier seinen Sitz.
Das Gundeldinger Feld ist ein Freizeit- und Gewerbeareal auf dem ehemaligen Gelände der Maschinenfabrik Sulzer-Burckhardt. Es befindet sich mitten im Basler Gundeli – einem belebten Quartier hinter dem Hauptbahnhof. «Jeder andere hätte hier Wohnungen gebaut – das bringt mehr Geld», sagt Barbara Buser. Seit dem Jahr 2000 belebt das Gundeldinger Feld die Stadt mit Theateraufführungen und Konzerten, Bio-Bistro, Kletterhalle, Zirkusschule, Hostel und Bücherschrank. Rund 80 gewerbliche Mieter sind es insgesamt. Autos haben Fahrverbot, auch Parkplätze hat es keine. Auf Umweltschutz wird grossen Wert gelegt.
Nachhaltigkeit steht bei Barbara Buser im Zentrum. Ihre Projekte sollen den geringstmöglichen Impact auf Klima und Umwelt haben sowie der Gesellschaft und den Menschen den grösstmöglichen Mehrwert bringen. Die 71-Jährige ist eine Pionierin der Kreislaufwirtschaft. «Wir müssen aufhören, so viel CO₂ auszustossen. Jeder Neubau ist einer zu viel», sagt sie. Mit ihren Projekten hat Barbara Buser Basel massgeblich geprägt. Die 2013 wiederbelebte Markthalle ist heute eine feste Institution. Das Gleiche gilt für das «Unternehmen Mitte»: Die einstige Schalterhalle der Schweizerischen Volksbank wurde Ende der 1990er-Jahre zu einem Kaffeehaus umfunktioniert.
Die Architektin wirkt weit über Basel hinaus: Sie hat auch in Zürich, Luzern oder Berlin Gebäude und Areale transformiert. Eines der bekanntesten Projekte ist das K.118 in Winterthur. Das Gebäude wurde zu 70 Prozent aus gebrauchtem Baumaterial erstellt. Ihr Lebens- und Schaffensmittelpunkt ist aber das Gundeli-Quartier, in dem sie aufgewachsen ist. Hier lebt sie mit ihrem Partner im Haus ihrer Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern. In dem 150 Jahre alten Haus, das mittlerweile vier Wohnungen beherbergt, hat sie vieles so gelassen, wie es war: den Schüttstein in der Küche, an dem schon ihre Urgrossmutter abgewaschen hat. Die Küchenschränke ihrer Mutter. Die Badewanne, die einst ihr Urgrossvater gekauft hatte. Sogar die Stromleitungen aus dem 19. Jahrhundert und die Türklingel mit Glockenzug, deren Drähte durch das ganze Haus verlaufen. «Allerdings habe ich auf jedem Stockwerk eine neue Steckdose mit FI-Schutz installiert – damit beim Staubsaugen die Sicherung nicht rausfliegt», sagt Barbara Buser und lacht.
Das Badezimmer wirkt modern, aber ungewöhnlich. Statt Fliesen liegen am Boden tausende Kieselsteine. Dort hindurch führt ein schmaler Holzweg zur Badewanne, neben der ein alter, raumhoher Baumstamm den Badenden einen bequemen Ein- und Ausstieg ermöglicht. Für die Beleuchtung sorgen LED-Lämpchen und eine alte Industrielampe – gespeist von der hundert Quadratmeter grossen Solaranlage auf dem Dach. Das Haus soll dereinst ihre Tochter erben. «Mir ist es wichtig, dass es in der Familie bleibt», sagt sie. «Ein Haus hat kein Ablaufdatum.»
Barbara Busers Lebensweg wurde durch einen mehrjährigen Aufenthalt in Afrika beeinflusst. Nach dem Architekturstudium zog sie Anfang der 1980er-Jahre erst als Brunnenbauerin in den Südsudan, anschliessend nach Tansania. Dort war sie in der Hafenmetropole Daressalam für den Unterhalt der Universitätsgebäude zuständig. «Das hat mich sehr geprägt. Als ich in die Schweiz zurückkam, sah ich überall Luxus und Verschwendung.» Zurück in Basel rief sie 1995 die Bauteilbörse ins Leben. «Die Bauteilbörse ist von Beginn an gut angekommen – denn wir Schweizerinnen und Schweizer werfen Dinge nicht gerne weg», sagt die Architektin.
Von einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft, also dem Wiederverwenden von Baustoffen im grossen Stil, sei die Baubranche jedoch noch weit entfernt. Zwar wird ein Teil der Neubauten heute kreislauffähig gebaut. Barbara Buser ist aber überzeugt, dass das zu spät wirkt. «Bis Teile dieser Häuser wiederverwendet werden, haben wir das Klima ruiniert», sagt Barbara Buser. Sie fordert einen Neubaustopp. Die Baslerin setzt grosse Hoffnungen auf die junge Generation von Studierenden, die sie als Gastdozentin an der ETH unterrichtet hat. Kreislaufwirtschaft im Bau gelinge nur, wenn alle umdenken. Zum Beispiel bereits beim Entwerfen, indem man mit dem Bestand plant statt auf der grünen Wiese. Umgebaut wird mit dem, was – im besten Fall vor Ort – verfügbar ist: alte Backsteine, Stahltreppen, massive Holzböden oder Eisenträger.
Am wichtigsten ist mir, dass das Resultat für die Nutzenden funktioniert. Aber auch die Ökologie muss stimmen.
Am meisten Freude bereite es ihr, wenn sie Gebäude vor dem Abriss bewahren könne. So wie beim aktuellen Projekt: dem Franck Areal. Neben Wohnungen sollen ein Tanzhaus, ein Quartierzentrum sowie ein Kreislaufhaus entstehen - eine Keimzelle für die wachsende Kreislaufwirtschaft in Basel. Alle Gebäude werden umgenutzt, keines soll abgerissen werden. Für das Projekt hat sie Bauteile gesammelt: Wandverkleidungen aus Holz aus dem Hotel Drei Könige oder grosse Fenster aus Bremen. «Nun müssen wir die Planung an die Fenstergrössen anpassen.»
Ihr Ziel ist es, mindestens 70 Prozent bestehende und gebrauchte Bauteile wiederzuverwenden. Dadurch liessen sich gegenüber einem Neubau rund 60 Prozent CO₂ einsparen. «Am wichtigsten ist mir, dass das Resultat für die Nutzenden funktioniert. Aber auch die Ökologie muss stimmen.» Ausserdem habe sie mittlerweile ein Grosskind. Auch deshalb ist es der Architektin wichtig, mit aller Kraft den Klimaschutz voranzutreiben.
