«Früher wurden sehr oft überdimensionierte Heizkessel verbaut»

Petra Tanner ist als Impulsberaterin in der Metropolregion Basel tätig und führt insbesondere auch Impulsberatungen für grosse Mehrfamilienhäuser durch. Im Interview erzählt sie, was eine Impulsberatung «erneuerbar heizen» beinhaltet und worauf bei grösseren Liegenschaften mit vielen Wohneinheiten zu achten ist.

Frau Tanner, seit wann führen Sie Impulsberatungen «erneuerbar heizen» durch?

Seit rund drei Jahren. Im Dezember 2019 machte ich zusätzlich zu meiner Tätigkeit als Energieberaterin und GEAK-Expertin die Ausbildung zur Impulsberaterin für Einfamilienhäuser (EFH) und kleinere Mehrfamilienhäuser (MFH). Im Juni 2021 fügte ich noch die Ausbildung zur Impulsberaterin für grosse Mehrfamilienhäuser (gMFH) an.

Inwiefern unterscheidet sich die Impulsberatung «erneuerbar heizen» bei grösseren Mehrfamilienhäusern von der Impulsberatung bei kleineren Gebäuden?

Bei EFH und MFH bis zu sechs Wohneinheiten mit einem Eigentümer hole ich mir vor der Beratung so viele Informationen zum Gebäude ein, wie nur möglich – also beispielsweise welches Heizungssystem im Einsatz ist, wie alt die Heizung ist oder welches Baujahr das Haus hat. Anhand dieser Informationen bereite ich eine Empfehlung vor, die ich beim Beratungsgespräch vor Ort präsentiere. Bei gMFH ist der Aufwand etwas grösser, da ich im Voraus eine Besichtigung durchführe, bei der ich mir das aktuelle System zeigen lasse. Das ist notwendig, weil die Heizungssysteme bei grösseren Liegenschaften relativ komplex sein können. Anschliessend arbeite ich eine Empfehlung aus, die ich im Beratungsgespräch vor Ort präsentiere.

Was beinhaltet so eine Empfehlung?

Bei der Empfehlung zeige ich auf, welche Heizsysteme für die Liegenschaft konkret infrage kommen. Dabei sind auch Kombinationen verschiedener Systeme möglich. Manchmal kann es Sinn machen, zusätzlich zur Grundheizung einen Spitzenlastkessel einzubauen.

Wozu dient dieser?

Der Spitzenlastkessel kann tageweise zugeschaltet werden, wenn die Leistung der Grundheizung nicht ausreicht. Das ist viel effizienter, als das ganze Jahr über einen überdimensionierten Heizkessel zu verwenden und dadurch Energie zu verlieren.

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Haben viele Liegenschaften einen zu grossen Heizkessel?

Ja, früher wurden sehr oft überdimensionierte Heizkessel verbaut, weil Öl und Gas sehr günstig waren. Verluste waren finanziell kaum spürbar. Heute ist dies anders. Fossile Heizstoffe sind in den letzten Jahrzehnten massiv teurer geworden. In Allschwil (BL) führte ich beispielsweise eine Impulsberatung bei einem gMFH mit 30 Wohneinheiten durch, bei dem der Heizkessel doppelt so gross ist, als er sein müsste.

Wo liegt da das Problem? Der Verbrauch dürfte sich dadurch ja nicht ändern. Oder doch?

Bei einer Heizung gehen bis zu 20 Prozent der Energie über den Kamin verloren. Je grösser eine Heizung entsprechend ist, desto mehr Energie verpufft ungenutzt. Deshalb lohnt sich auch der zuvor genannte Spitzenlastkessel, da die Grösse der Grundheizung zusätzlich reduziert werden kann.

Was haben Sie dem Verwalter in Allschwil empfohlen?

Für die Liegenschaft in Allschwil kommen ein Anschluss an das Fernwärmenetz, eine Pelletheizung und eine Wärmepumpe in Kombination mit einem Spitzenlastkessel mit Heizöl infrage.

Was sagte der Verwalter dazu?

Basierend auf den Daten der Impulsberatung kamen wir zum Schluss, dass bei einer sauberen Kostenkalkulation unter Berücksichtigung der gesamten Lebensdauer der Heizung ein erneuerbares Heizsystem sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich Sinn macht. Dazu kommt, dass in den meisten Kantonen regulatorisch zunehmend Rahmenbedingungen zugunsten von erneuerbaren Heizsystemen geschaffen werden. Schliesslich hat sich der Verwalter für eine grosse Wärmepumpe in Kombination mit einem Spitzenlastkessel entschieden.

Wie sehr gehen Sie im Rahmen der Impulsberatungen auf finanzielle Aspekte ein?

Die Kundinnen und Kunden erhalten eine Grobkostenschätzung mit Betriebs- und Energiekosten sowie Förderbeiträgen zur wirtschaftlichen Gegenüberstellung der möglichen Heizsysteme. Im Anschluss an die Impulsberatung «erneuerbar heizen» sollten die Besitzerinnen und Besitzer optimalerweise bei verschiedenen Heizungsinstallateuren Offerten für die empfohlenen Heizsysteme einholen. Wichtig ist ebenfalls, dass die Förderbeiträge – die einen wichtigen Teil zur Wirtschaftlichkeit eines erneuerbaren Heizsystems beitragen können – noch vor Baubeginn beantragt werden.

Wann ist der ideale Zeitpunkt für eine Impulsberatung «erneuerbar heizen»?

Grundsätzlich gilt: Je früher man sich um den Ersatz der fossilen Heizung kümmert, desto besser. Die Impulsberatung lohnt sich aber insbesondere, wenn die Heizung mehr als zehn Jahre alt ist, da sie dann kostenlos für den Auftraggeber ist.

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