Wetterextreme können Pflanzen zusetzen, insbesondere Bäume leiden darunter. Wie stark gerät die Biodiversität, die auch im Hausgarten im Zentrum stehen sollte, dadurch in Gefahr? Nachgefragt bei Adrian Möhl, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Botanischen Gartens in Bern.
Herr Möhl, wie kommen heimische Pflanzen mit den klimatischen Veränderungen zurecht?
Allgemein lässt sich die Frage nur schwer beantworten – jede Art reagiert anders auf die Veränderungen. Es gibt Gewinner und Verlierer. Wärmebedürftige und trockenresistente Arten etwa profitieren von der «Mediterranisierung» der Schweiz. Ich denke dabei beispielsweise an die imposante Bocksriemenzunge (Himantoglossum hircinum), den Gefleckten Schierling (Conium maculatum) oder vielleicht an den Elsbeerbaum (Sorbus torminalis). Aber: Die Liste der Verlierer ist langfristig wohl weit länger.
Welche Gruppen geraten in der Natur besonders unter Druck?
Die Arten der Feuchtgebiete, der Tümpel und der wechselfeuchten Gebiete. Und auch Arten, die kühle und feuchte Standorte bevorzugen.
Gilt das auch für den Garten?
Weniger, dort werden die Pflanzen ja gepflegt: Ausbleibender Regen lässt sich mit Giessarbeit kompensieren – aber auch das funktioniert nur bis zu einem gewissen Grad. Selbst im botanischen Garten in Bern zeichnet sich ab, dass viele Arten der subalpinen und alpinen Zone kaum mehr zu halten sind. Für etliche Arten kühlerer Gefilde wird es schlicht zu heiss. Eine Erfahrung, die auch andere botanische Gärten mit uns teilen.
Vor allem Bäume tun sich mit dem Wetterwandel schwer: Empfohlen werden im Hausgarten sogenannte Klimabäume. Was genau ist darunter zu verstehen?
Als Klimabäume bezeichnet man Arten, die Trockenheit, Hitze und anderen Folgen des Klimawandels besser trotzen können und gezielt für die Stadt- und Landschaftsplanung ausgewählt werden. Zur Erklärung: Da Bäume lange Leben haben, können sie sich weniger schnell anpassen als Pflanzen mit schnellerem Generationenwechsel.
Für mich ist ein sinnvoller Klimagarten einer, der auf regionale Arten setzt, die dem neuen, trockenheissen Klima angepasst sind.
Viele Städte wollen mit solchen Arten die Begrünung der Betonwüsten vorantreiben.
Es ist wichtig und richtig, dass wir in unseren Städten viel Grün und viel Wasser haben. Ob es nun eine gute Idee ist, dafür Bäume aus fernen Ländern hierherzubringen, davon bin ich nicht ganz überzeugt. Vielleicht sind sie tatsächlich widerstandsfähiger als manch heimischer Baum. Doch leider bedienen sie die Biodiversität auch weniger, sind für Insekten nutzloser. Aus meiner Sicht sollte man auf Ökotypen der Region zurückgreifen, die bereits an Wärme und Trockenheit angepasst sind, etwa Eichen aus trockenheissen, regionalen Hängen.
Für den sogenannten Klimagarten werden oft Vertreterinnen des Präriegartens empfohlen. Wie lässt sich das mit dem Anspruch nach Biodiversität vereinen, in der heimische Arten im Zentrum stehen?
Ich sehe nicht ein, weshalb Arten des Präriegartens besser für die Herausforderungen der Hitzesommer geeignet sein sollen. Manche Arten gelten sogar als invasive Neophyten, etwa die Goldrute oder das Mädchenauge – daher betrachte ich die zum Teil wunderschönen und wertvollen Arten mit einer gewissen Skepsis.
Was also tun?
In einer Zeit, wo die heimische Biodiversität zunehmend unter Druck kommt, sollte man eher auf einheimische und noch viel besser auf regional vorkommende Arten zurückgreifen – da sie kaum je invasiv werden und wichtige Futterpflanzen für die heimische Insektenwelt sind. Für mich ist ein sinnvoller Klimagarten einer, der auf regionale Arten setzt, die dem neuen, trockenheissen Klima angepasst sind.
Wie findet man die richtigen Pflanzen?
Inspirieren kann man sich da an Lebensräumen der jeweiligen Region, die schon seit Jahrtausenden an trockenheissen Stellen wachsen, etwa südexponierte Felsfluren oder Trockenwiesen. Man wird staunen, wie viele schöne Arten dort gedeihen: Mauerpfeffer-Arten, Blutroter Storchenschnabel, Gamander, verschiedene Doldenblütler. Dabei muss man auch nicht strikt und streng bleiben – wer Freude an Exoten hat, darf im Garten auch mal mischen. Aber lieber nicht mit Arten, von denen man weiss oder vermutet, dass sie invasiv werden können.
Zu guter Letzt: Welche Anpassungen im Hausgarten machen in Ihren Augen besonders Sinn?
Die Strukturen scheinen mir wichtig – mehrstufige Pflanzungen spenden sich gegenseitig Schatten. Und: Die Beete müssen nicht immer super geputzt und sauber sein. Gerade für die Tierwelt sind Totholz oder Steinhaufen sehr wichtig. Zudem verleihen sie Gärten eine gewisse Lebendigkeit. Empfehlenswert ist auch, wenn es etwas Platz für Wasser gibt. Sei es eine schattige, feuchte Stelle oder in einem Teich, den man nicht gleich mit Pflanzen vollstopft – denn Verdunstungsfeuchte kühlt die Luft ab. Die Auswahl der Arten ist aber am wichtigsten: Unter den Lippenblütlern gibt es viele attraktive Arten, die sehr gut an die neuen Bedingungen angepasst sind, etwa Edel-Gamander (Teucrium chamaedrys), Steinquendel (Acinos arvensis), Dost (Origanum vulgare) oder Wiesen-Salbei (Salvia pratensis). Wichtig ist, dass man versucht, sich besonders an die in der Region vorhandenen Arten zu halten, am besten aus regionaler Produktion. Die Grüne Liste von InfoFlora und der Pflanzenfinder von Regioflora sind dabei eine grosse Hilfe.
Botaniker Adrian Möhl arbeitet auch für Infoflora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Zu finden sind die Listen unter: www.infoflora.ch oder www.regioflora.ch
Dieser Artikel wurde ursprünglich im EnergiejournalJuni 2025 veröffentlicht. Lesen Sie weitere Artikel der Ausgabe: