EnergieSchweiz

Das Solarstrom-Quartier

Selbst produzierten Solarstrom selbst verbrauchen: Das lohnt sich – und lässt sich erst recht optimieren, wenn man mit Nachbarn zusammenspannt. In Lugaggia (TI) sind dafür 18 Wohnhäuser, ein Kindergarten und eine Quartierbatterie miteinander vernetzt worden. Der Zusammenschluss eines ganzen Quartiers ist ein wegweisendes Pilotprojekt.

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Der Sonnenschein löst einiges aus, im und um den Kindergarten von Lugaggia: Die Kinder können an diesem Sommertag draussen spielen, auf dem Flachdach kommt die Photovoltaikanlage auf Touren, im Keller wird eine Batterie geladen, die nicht nur für Kindergartenkinder enorm gross ist. 1 Meter 90 hoch ist der Schrank mit den schwarzen Batteriezellen. «Die Batterie ist zwar hier installiert, aber sie gehört zu allen Häusern im Quartier», erklärt Davide Rivola, Leiter des Sektors Energiesysteme an der Südschweizer Fachhochschule SUPSI. Das Ziel der Batterie ist das gleiche wie jenes des gesamten Pilotprojekts: dafür sorgen, dass der Solarstrom, der in diesem Wohnquartier produziert wird, auch möglichst hier verbraucht wird.

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Die Batterie ist zwar hier installiert, aber sie gehört zu allen Häusern im Quartier.
Davide Rivola

Finanzieller Vorteil für Quartierbewohnende

Dieser Eigenverbrauch des selbst produzierten Stroms hat zwei Vorteile. Erstens wird das Stromnetz dadurch entlastet. «Für den Netzbetrieb ist Solarstrom eine Herausforderung, weil er unregelmässig und auf Niederspannungsniveau produziert wird», so Paolo Rossi, Direktor des regionalen Energieversorger AEM und Mitinitiant des Projekts. Zweitens ergeben sich finanzielle Vorteile für die Quartierbewohnenden. Denn wer Solarstrom ins Netz speist, erhält dafür deutlich weniger Geld als sie oder er umgekehrt für den Bezug von Netzstrom bezahlen muss. Das macht den Eigenverbrauch interessant und wer sich im Quartier zusammenschliesst, hat deutlich mehr Möglichkeiten dazu. So wurden die fünf PV-Anlagen im Quartier (total ca. 70 Kilowatt), 18 Ein- und Zweifamilienhäuser sowie der Kindergarten mit neuen Leitungen miteinander verbunden.

Ziel: Möglichst wenig Netzstrom

Für den Solarstrom von den Dächern gibt es eine klare Rangordnung: In erster Linie wird er direkt im jeweiligen Haus genutzt. Was übrigbleibt, fliesst ins Quartiernetz. Und was dort nicht gerade verbraucht wird, geht in die Quartierbatterie. Im umgekehrten Fall, wenn das Quartier mehr Strom verbraucht als produziert, ist die Batterie die erste Quelle, die angezapft wird. Um möglichst wenig Netzstrom einkaufen zu müssen, sind auch die Quartierbewohnenden gefragt. «Die Projektverantwortlichen haben uns erklärt, dass wir die Energie möglichst dann nutzen sollen, wenn sie produziert wird, also am Tag», sagt der Anwohner Patrizio Balmelli. Das heisst, zum Beispiel den Geschirrspüler oder die Waschmaschine am Tag laufen zu lassen. Die Quartierbewohnenden können die Stromproduktion und den –Verbrauch in Echtzeit via Internet einsehen und werden per Newsletter alle zwei Monate auf dem Laufenden gehalten.

Wegweisendes Forschungsprojekt

Neben dem Mitdenken der Anwohnenden helfen auch künstliche Intelligenz und moderne Stromzähler, sogenannte Smart Meter, den Eigenverbrauch im Quartier zu optimieren. Im Rahmen eines Forschungsprojektes werden zwei verschiedene Methoden im Quartier getestet um herauszufinden, ob ein zentrales oder dezentrales System effizienter ist. Beim zentralen System im ersten Versuchsjahr wird der Stromverbrauch des Quartiers, z. B. das Einschalten von Boilern oder Wärmepumpen, über eine zentrale Plattform geregelt. Dabei verwenden Algorithmen Daten der eigenen Wetterstation, um den Strom möglichst dann zu verbrauchen, wenn er produziert wird. Im zweiten Jahr mit dem dezentralen System kommunizieren die einzelnen Smart Meters der Haushalte direkt miteinander. Das heisst, wenn in Haus A die Waschmaschine mit Solarstrom von Haus B läuft, wird das direkt verrechnet. Dank dem Zusammenschluss des Quartiers wird also nicht nur das Netz entlastet und Geld gespart, sondern auch wertvolle, praxisnahe Erkenntnisse für die Forschung gewonnen. Das Solarstrom-Quartier wird nach den zwei Jahren Forschung sowieso weiterbetrieben, in Form einer Energiegemeinschaft der Hausbesitzenden. Der Sonnenschein löst also einiges aus, nicht nur im und um den Kindergarten von Lugaggia.

Dieser Beitrag stammt aus dem aktuellen Energiejournal von EnergieSchweiz. Im Energiejournal finden Sie weitere spannende Beiträge rund um erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

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