Trottinett statt Auto: Für kürzere Strecken bieten sich oft Fahrzeuge der Mikromobilität an. Es benötigt für den Umstieg jedoch gute Rahmenbedingungen.
Je nach Bedarf spontan das passende Kleinfahrzeug ausleihen und damit Staus umfahren: In der Schweiz ist das möglich. Mehr als 11’000 Velos, 11’000 Trottinetts und rund 380 Cargobikes stehen in verschiedenen Städten zum Teilen zur Verfügung. Zürich, Bern, Basel und Lausanne, aber auch kleinere Städte wie Bellinzona, Luzern oder St. Gallen haben die Mikromobilität in ihr Verkehrssystem integriert. Es wurde und wird beispielsweise in die Infrastruktur für Velos investiert – mit dem Ziel, kurze und kurzfristige Fahrten mit Verkehrsmitteln der Mikromobilität zu fördern. Denn einige dieser Fahrzeuge sind auf Velowegen zugelassen. (siehe Steckbrief)
«Die Mikromobilität kann mindestens zwei grosse Herausforderungen lösen, mit denen Städte konfrontiert sind» sagt Raffaella Silvestri, Mobilitätsexpertin beim Bundesamt für Energie BFE. Zum einen bringt die Fortbewegung mit den kleinen und leichten Fahrzeugen Vorteile für das Klima. Der Verkehrssektor ist für rund ein Drittel der CO₂-Emissionen verantwortlich, die aus fossilen Treibstoffen wie Benzin und Diesel stammen, sagt die Expertin. Zum anderen helfen kleinere Fahrzeuge gegen den Platzmangel in Städten und Ballungsräumen. Denn hier ist der Strassenraum hauptsächlich für Autos reserviert und dieser lässt sich kaum noch erweitern. Staus zu den Hauptverkehrszeiten sind programmiert. Raffaella Silvestri: «Raumeffizientere Mobilität zu fördern, kann den Verkehrsfluss verbessern.»
Zukunftsweisende Mobilitätskonzepte beanspruchen also möglichst wenig öffentlichen Raum. Überdies sind die Leihfahrzeuge optimal auf Bahn, Bus oder Tram abgestimmt. «Nur so kann Mikromobilität als Anschlusslösung die gesamte Reisekette attraktiver und bequemer machen», sagt Jonas Schmid, Leiter Mobilität und Verkehrspolitik beim Schweizerischen Städteverband. Auch als Ergänzung zu Bus oder Tram nach den Hauptbetriebszeiten können Sharing-Angebote sinnvoll sein. Bei beiden Punkten sieht Jonas Schmid noch Potenzial. Ein guter Anreiz können zudem attraktive Billettkombinationen sein, um eine Reise von A bis Z noch besser zu planen. Der Tarifverbund OSTWIND und der Sharing-Dienst Dott (ehemals TIER) testen genau dies derzeit.
Ob ausgeliehen oder mit dem eigenen Trottinett, Velo oder Cargobike: Im urbanen Raum mit seinen ohnehin schon engen Platzverhältnissen ist gegenseitige Rücksichtnahme gefragt. «Vor allem die unterschiedlichen Geschwindigkeiten führen immer wieder zu Konflikten», schildert Raffaella Silvestri. Städte wie Luzern oder Bellinzona haben deshalb Sensibilisierungskampagnen gestartet. Sicherheit ist ein zentrales Thema, um Mikromobilität zu fördern. Hier spielt – neben dem freiwilligen Helmtragen – die bereits erwähnte Infrastruktur eine wichtige Rolle. Das Veloweggesetz, das Kantone und Gemeinden verpflichtet, Velowege bis 2027 zu planen und bis 2042 umzusetzen, ist dafür laut der Mobilitätsexpertin ein Schritt in die richtige Richtung.
Um Nutzungskonflikte zu vermeiden, wenden vor allem Städte in der Deutschschweiz schon längere Zeit verbindliche Regeln an. Aktuell geht es laut Jonas Schmid darum, die Anbieterzahl zu begrenzen und im Spannungsfeld zwischen der Nutzung des öffentlichen Raums und der Wirtschaftlichkeit die optimale Flottengrösse zu bestimmen. Wichtig sei auch, für die korrekte Nutzung und das ordnungsgemässe Abstellen der Fahrzeuge zu sensibilisieren. Digitale Hilfsmittel wie Fahrzeugsensoren oder Geofencing können dabei helfen.
Jonas Schmids Fazit: Klug reguliert kann Mikromobilität in konfliktfreie, stadtverträgliche und umweltfreundliche Bahnen gelenkt werden. Dies bei guten Rahmenbedingungen für Sharing-Angebote. Zusammen mit einer ÖV-Vernetzung besteht ein guter Anreiz, für Kurzstrecken auf eines der Leichtfahrzeuge umzusteigen – und damit rasch und wendig Staus zu entkommen.
Zuweilen herrscht Verwirrung darüber, welche Fahrzeuge zur Mikromobilität zählen. Orientierung bietet folgende Definition: Es handelt sich um Fahrzeuge, die höchstens 350 Kilogramm schwer sind und eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h nicht überschreiten. Sie werden entweder durch Muskelkraft oder durch Elektromotoren angetrieben. Folgende Steckbriefe zeigen gängige Fahrzeuge und wofür sie am besten geeignet sind.
einachsig, selbstbalancierend
ideal für kurze Stadtfahrten und die erste/letzte Meile, also die Fahrt von zu Hause zur Haltestellle und zurück (3 bis 6 Kilometer pro Tag)
bis zu 20 km/h, Reichweite pro Ladung bis 40 Kilometer
in Bus und Tram mit Einschränkung erlaubt, nicht erlaubt in Zügen
je nach Modell faltbar, leicht, gut zu transportieren
ideal für kurze Stadtfahrten und die erste/letzte Meile
bis zu 20 km/h, Reichweite pro Ladung 35 bis 40 Kilometer
gut kombinierbar mit Bus, Tram, Zug
klassischer Motorroller mit E-Antrieb, bequeme Sitzposition
geeignet für kurze und mittellange Fahrten (5 bis 15 Kilometer)
bis zu 45 km/h, Reichweite pro Ladung 50 bis 100 Kilometer
auf der Strasse erlaubt, nicht auf dem Veloweg
fahrbar ab 16 Jahren mit Führerausweis der Kategorie M
Helmpflicht
schnell und leistungsstark
ideal für Pendelstrecken (15 bis 40 Kilometer pro Tag)
bis zu 45 km/h, Reichweite pro Ladung 80 bis 130 Kilometer
in Bussen, Zügen und Trams mit Einschränkungen zulässig (Reservierungen und/oder spezielle Fahrkarten nötig)
Pflicht zur Nutzung des Velowegs, wenn vorhanden. Falls nicht: Nutzung der Strasse, auf dem Trottoir nur mit abgestelltem Motor und Velostreifen erlaubt
Führerausweis Klasse M ab 14 Jahren erforderlich
Transportlösung für Kinder oder Güter (100 bis 200 Kilogramm Traglast)
optimal für Familien und Gewerbe (täglich 5 bis 15 Kilometer)
bis zu 25 km/h, Reichweite pro Ladung 50 bis 100 Kilometer
erlaubt in bestimmten Zügen (RE, S, R)
kompaktes, wendiges, wettergeschütztes Fahrzeug für zwei Personen oder zu transportierende Güter
ideal für kurze und mittellange Fahrten in Städten und Vorstädten, je nach Modell auch für längere Strecken geeignet
bis zu 45 km/h, Reichweite pro Ladung je nach Modell 50 bis 100 Kilometer
nicht erlaubt auf Autostrassen und Autobahnen
fahrbar ab 18 Jahren mit Führerausweis Kategorie B und B1
erlaubt auf Veloweg oder Strasse, auf dem Trottoir nur, wenn es einen Velostreifen gibt
fahrbar ab 14 Jahren, zwischen 14 und 16 Jahren Führerausweis der Kategorie M erforderlich, ab 16 Jahren kein Führerausweis mehr notwendig
Helm nicht obligatorisch, aber empfohlen
Ep.6, Staffel 1 - Energiesparen mit Velo, Auto und öV
Hören Sie warum Shared Mobility Energie und Geld spart, und wie man die passenden Mobilitätsangebote im eigenen Quartier findet.
Dieser Artikel wurde ursprünglich im Energiejournal Juni 2025 veröffentlicht. Lesen Sie weitere Artikel der Ausgabe: